Auf den Spuren Napoleons

Korsika, die viertgrösste Mittelmeer-Insel südöstlich des französischen Festlandes gelegen ist unser Ziel im 2016. Ende Mai geht’s los, wir entfliehen dem Regen in Richtung Süden. Im italienischen Piacenza übernachten wir zum ersten Mal. Der Regen hat mittlerweile etwas nachgelassen. Über den Passo della Cisa und vorbei an Carrara, der berühmten Marmor-Stadt erreichen wir Livorno. Vom dortigen Fährhafen wollen wir am folgenden frühen Morgen mit der Fähre nach Korsika überschiffen. Die Nacht verbringen wir am Rande eines Parkes am Stadtrand. Unsere beiden Hunde finden die Umgebung interessant: während Milla, unsere schon ältere 3-beinige Schwarze sich vorwiegend im Schatten und explizit neben der Yoga-Matte (!) auf den Rasen legt und das Kommen und Gehen beobachtet, dreht die blonde, leicht gehbehinderte Oxi ihre Runden. Ab 5 Uhr morgens warten wir, LkW an Wohnmobil an PW auf den Verlad, um im Bauch der Moby Vincent nach langen 5 ½ Stunden die im Nordosten von Korsika gelegene Hafenstadt Bastia zu erreichen. Logisch schauen wir uns dort als erstes nach einem geeigneten Hundeausgehplatz um. Dazu fahren wir zuerst etwas südwärts: nahe am Meer mit vorgelagertem Sandstrand (hat’s übrigens nur an der Ostküste auf einer max. Breite von ca. 10 km) finden wir einen geeigneten Platz mit etwas Schatten, denn mittlerweile ist es sonnig und schon recht warm geworden – wer sagt’s denn: wenn Engel reisen lacht die Sonne! -. Nachdem die Beine vertreten und die Bisis abgesetzt sind, fahren wir zurück und durchqueren Bastia. Wir schauen uns einen Friedhof an; schon ein kurzer Blick reicht aus um festzustellen, dass Gräberfelder hier anders angelegt sind als bei uns. Dicht an dicht reihen sich Grabhäuser, die den Eindruck einer regelrechten Totenstadt entstehen lassen. Nach einem kurzen Besuch in diesem ‚Gottesacker‘ folgen wir der schmalen, bergigen Strasse nördlich in Richtung Cap Corse. Ja Korsika überrascht, denn 86 % sind Bergland, das gab Korsika den Beinamen „Gebirge im Meer“. Das Innere dieser 8680 km² grossen Insel ist von wild zerklüfteten Gebirgszügen, sage und schreibe 50 (!) Zweitausender und spektakulären Schluchten durchzogen. Demgegenüber verfügt die „ Korsai“, über zahlreiche Buchten und eine über 1000 km lange Küste. Ein Drittel davon besteht aus Strand, der Rest ist Felsküste. Die Strasse führt der Küste entlang und bietet aussergewöhnlich schöne Aussichten über rötliche Felsen auf ein blau-grün schimmerndes Meer: Hier im Osten ist es das Tyrrhenische, im Norden das Ligurische Meer und im Westen das Mittelmeer. Weit draussen sind vorbeifahrende Fähren und Frachtschiffe zu sehen. Die Felswände fallen steil ab. Kleinere Häuseransammlungen in Buchten oder an den grünen Hängen inmitten der ‚Macchia‘, einem immergrünen Buschwald, der rund die Hälfte der Insel bedeckt, sind zu erkennen. Am nächsten Morgen ist der Himmel wieder ziemlich bewölkt, gleichzeitig aber scheint die Sonne, was eine einmalig schöne Stimmung ergibt: von der Sonne beschienene rot-gelbe Felsen über dunklem Wasser und ein Regenbogen vor rauchgrauem Himmel. Wir scheinen fast alleine zu sein in dieser verzauberten Welt, denn die rund 330‘000 Einwohner Korsikas konzentrieren sich auf die 8 Städte. Über dem Col de Palmarella liegt noch Nebel, der sich später lichtet. Auf Korsika herrscht ein typisches Mittelmeerklima: Heisse, trockene Sommer und milde, feuchte Winter. In den zur Malariabekämpfung trockengelegten Sumpfgebieten wurde vielfach Eukalyptus angepflanzt, der schnell wächst und sehr viel Wasser verdunstet. Auch entlang der Strasse fahren wir oft unter diesen immergrünen Bäumen durch und sind so immer wieder von deren frischem, nach Menthol riechendem Duft eingehüllt. Wir sind auf der fingerförmigen Halbinsel im Norden unterwegs, wo eine kurvenreiche Serpentinen-Strasse nach jeder Kurve eine neue atemberaubende Aussicht bietet. An einer hübschen Ecke mit Strandzugang (nach korsischer Tradition ist der Strand überall allgemein zugänglich) und Gischt umspülten Felsformationen, ‚ankern‘ wir. Eine dramatische Stimmung präsentiert sich: dunkle Wolken, weit draussen vorbeziehende Schiffe auf dunkelblauem Meer, rötliche Felsbrocken und hellgrüne Wellen, die auf Kieselstrand gespült werden. Es ist ein kontrastreiches Gebiet hier am Kap, in dem diverse prähistorische Anlagen Zeuge von früherer Besiedlung sind: in Santari umrunden wir mehr als zwanzig grosse, in Reih und Glied aufgestellte Steinsäulen und nur 300 m weiter befindet sich die Fundstätte von Rinaiu in einem kleinen Steineichenwald mit einer Unzahl von Menhiren aus der Zeit um 4500 bzw. 3000 v.Chr. Grün schimmernde Eidechsen sonnen sich auf den alten Steinen. Das archäologische Highlight von Cauria’s Megalithkultur ist der Steintisch Fontanaccia, der einsam auf einer Hochebene steht. Allein die Deckenplatte des eindrucksvollen Steinmonuments wiegt mehr als 3 Tonnen. Ein Rundweg verbindet alle Anlagen und genau daneben, hier auf einem Hügel und mitten im Nirgendwo bleiben wir über Nacht, gut bewacht von unseren beiden Hunden, bevor’s entlang der Westküste wieder südwärts geht, der Hauptstadt Ajaccio zu, der Geburtsstadt Napoleons.

Bei dieser Gelegenheit ein kurzer Geschichtsunterricht: 1755 wurde die Unabhängigkeit ausgerufen. Genua verkaufte 1868 die Insel an Frankreich; Die französische Regierung lehnte Forderungen nach Zweisprachigkeit, Autonomie oder gar Unabhängigkeit strikt ab wegen der Befürchtung, sie bedrohten die Einheit Frankreichs. Im Jahr 2000 stimmte Frankreich einer grösseren Autonomie Korsikas im Tausch gegen ein Ende der Gewalt zu. Die meisten offiziell als „französisch“ bezeichneten Namen von Orten, Bergen und anderen geografischen Punkten sind bis heute in ihrer ursprünglichen italienischen Fassung aber erhalten geblieben.

Wir fahren durch die Calanche de Piana, eine spektakuläre Felslandschaft auf 400 müM aus rotem Granit die auch zum Weltnaturerbe der UNESCO gehört. Von Wind und Wetter zerfressene, bizarre Felsen mit skurilen Formen ragen in den blauen Himmel. Der Kontrast zur grünen Macchia und dem tiefblauen Meer ist unglaublich schön. Die enge Strasse ist gesäumt von fotografierenden Leuten, Bussen und Autos. Einen Parkplatz zu finden ist fast unmöglich. Wir fahren also weiter in die Hauptstadt. Das Stadtzentrum von Ajaccio ist eng und voller Autos und Touristen, rundum beherrschen Hochhäuser, davor eine Strandpromenade mit Palmen, ein Hafen voller weisser Boote und Kreuzfahrtschiffen, dahinter grüne Hügel den Blick. Wir stoppen erst gegenüber, am sandigen Golf von Ajaccio mit prima Strandzugang und genügend Parkplätzen auch für grössere Fahrzeuge, machen einen ausgedehnten Spaziergang und geniessen Ruhe und Wärme.

Weiter südwärts erreichen wir die unterste Spitze der französischen Mittelmeerinsel mit dem Städtchen Bonifacio. Sardinien ist über eine Meerenge nur gerade 12 Km entfernt. Der Ort teilt sich in zwei Gebiete: die ‚Ville haute‘ genannte mittelalterliche Altstadt 900 m hoch oben auf einem halbinselartigen Felsplateau, das seeseits faktisch senkrecht ca. 70 m zum Meer hin abfällt. Die Altstadt mit ihren engen, kopfsteingepflasteren Strassen, die von vier- bis fünfstöckigen Häusern gesäumt werden, dahinter die Zitadelle und der ‚cimetière marin‘ und unten, auf der Landseite des Felsplateau, liegt eine fjordartige Bucht, die einen gut geschützten Naturhafen bildet. Das Panorama, das sich von den zahlreichen Aussichtspunkten bietet ist unbeschreiblich fantastisch.

An der Ostküste lassen wir die Füsse baumeln, legen uns im Schatten in den Sand und kühlen uns ab und zu bei einem Bad im Tyrrhenischen Meer. Es hat nur wenige andere Gäste auf dem empfehlenswerten Camping Eukalyptus und wir können unseren bevorzugten Standplatz selbst wählen. Das Thermometer zeigt 27°C, ein leichter Wind weht, das Wasser lockt in blau-grünen Farben und der lange Strand lädt zu Spaziergängen ein. Auch unseren beiden Pelztieren fällt auf, dass das Gehen im weichen Sand, in dem man immer mal wieder einen halben Schritt zurück’fällt‘ anstrengender ist als auf festem Grund. Andererseits ist es lässig, darin Löcher zu graben und an angeschwemmtem salzig schmeckenden Holz zu knabbern, aber all das macht müde und wir schlafen alle vier ganz wunderbar nach so viel frischer Luft und Bewegung. Die Sonnenauf- und die Sonnenuntergänge sind traumhafte Phantasien von orange, pink über lila bis hellblau, die schöner nicht sein könnten. Wir können uns kaum sattsehen. Ein perfekter Platz für uns; wir bleiben ein paar Tage. Auf dem Weg der Küste entlang zurück zur Fähre, machen wir nochmals in einem anderen Campingplatz Zwischenhalt, wo wir unter Mimosen ‚wohnen‘. Korsika hat uns begeistert; der Mix aus Felsen und einsamer Natur und dem nahen Strand, der in dieser Frühsommerzeit noch wenig belegt ist, macht ein Wiederkommen höchstwahrscheinlich. Auf der Überfahrt aufs Festland, bleiben Nils und Milla im Wohnmobil, während ich mit Oxi auf Deck gehe und der Insel bei der Wegfahrt zuwinke. In Livorno bleiben wir dann erneut in ‚unserem Park‘ bevor’s über die italienische Autobahn wieder zurück in die Schweiz geht. Als Abschluss der 10-tägigen Korsika-Kennenlernreise wählen wir die Route über den Lukmanier-und Oberalp-Pass, wo wir unsere Füsse noch im Schnee kühlen können.