22.12. – 28.12.19
Nicht nur daheim, auch hier im äussersten Norden Deutschlands ist es für die Jahreszeit mit rund 5°C viel zu warm. Das zeigt sich u.a. darin, dass bereits wieder blühende Forsythien und knospende Bäume zu sehen sind. Die Natur spürt schon den Frühling, obwohl der Winter noch gar nicht Einzug gehalten hat. Es ist ja bekannt, dass die Schweizer am Wochenende am liebsten einen Zopf zum Frühstück verspeisen. Um etwas heimatliche Gefühle heraufzubeschwören wollte Uschi beim Bäcker einen Zopf bestellen, ist aber zwei Mal mit den Worten «das geht nicht mehr, wir sind zu wenig Personal» abgeblitzt. Unsere Küche ist zwar dafür suboptimal ausgerüstet (kein Mixer, keine Knetmaschine, kein Messbecher), nichtsdestotrotz – sie hat sich’s nun mal in den Kopf gesetzt – haben wir uns Dinkelmehl, Hefe und Sojamilch sowie Kurkuma (statt Eigelb zum Bestreichen) besorgt und ganz traditionell mit Vorteig am Vortag, Hauptteig und diversen Ruhezeiten zwei vegane Zöpfe gebacken. Mmmhh, im Nu war der lauwarme Z’morge weggeputzt! Nistelitz ist ein kleiner Weiler an der Bahnlinie mit einer Haltestelle mitten auf dem Feld, wo der ‘Rasende Roland’ vorbeikommt. Das ist eine dampflokbetriebene Schmalspur-Eisenbahn (750 mm Spurweite), die von Putbus über Binz, Sellin und Baabe nach Göhren fährt und mit 30 km/h seit 1895 die bekannten Seebäder miteinander verbindet. Diese Fahrt sowie den Besuch der diversen Seebäder wollen wir uns für die Schneetage aufsparen. Vorerst erkunden wir die Gegend um Nistelitz während zwei Stunden zu Fuss, über weite Felder, entlang Waldrändern und durch den Wald. Leider müssen wir auf halbem Weg die gleiche Strecke zurücknehmen, da der auf der Karte eingetragene Pfad mittlerweile überwachsen ist. Immerhin finden wir dabei ein paar liegengelassene Tannenzweige, um unser Vogelhaus damit zu bedecken. Die Tage um Weihnachten sind auch auf Rügen neblig-feucht und manchmal regnerisch. Das kümmert unsere Hunde nicht gross, sie müssen und wollen trotzdem raus und schliesslich tut es auch uns gut, frische Luft zu inhalieren. Einzig das Fotomaterial entspricht nachher nicht so ganz unseren Vorstellungen. Am 24. versenden wir einige Gute-Wünsche-Mails an die Familie und Freunde, die grossmehrheitlich auch retourniert werden. Auf unseren Ausflügen über die Weihnachtstage kommen wir, ganz biblisch, an Orten vorbei mit den Namen ‘Petrushof’ und ‘Sternenbank’. Beim Petrushof handelt es sich um einen einfachen, holzgezimmerten Unterstand am Waldrand mit Tisch und Bank für eine geschützte Vesper. Die Sternenbank steht ebenfalls am Waldrand mit Blick auf den Rügischen Bodden und die Insel Vilm und deren Vogelschutzgebiet wo u.a. auch Seeadler nisten. Die Bank hat ihren Namen, weil man von dort bei Nacht einen einmaligen Blick in den Sternenhimmel hat, denn sie steht leicht erhöht und weit weg von Fremdlicht. Auf Rügen sind eine ganze Anzahl von Dolmengräbern entdeckt worden. Eines davon aus der Jungsteinzeit von ca. 3500 bis 2800 v. Chr., bei dem ein grosser Deckstein von ca. 3×2 m noch in Position liegt, erkunden unsere Hunde besonders intensiv. Es sieht auch so aus, wie wenn hier ab und zu jemand lagert und Duftmarken hinterlassen hat. Auf’s Wochenende hin wird es merklich kälter (gefühlte -6°C) und am Morgen sind die Pfützen gefroren, der Wind hat gedreht. Jetzt sind auch deutlich mehr Leute in die Ferienwohnungen eingezogen, um die Neujahrswoche auf Rügen zu verbringen. Schon auf unserem Weg zum Strand von Gross Stresow fahren wir Kolonne. Der Themenweg «Heilige Stätten» führt uns durch einen offenen Wald zu einem Platz mit verschiedenen grossen runden Steinen, einer steinzeitlichen Gräberstätte. Auf dem Küstenweg kommen wir vorbei an einer halb fertigen, halb noch im Bau befindlichen Ferienhaus-Siedlung im Grünen wo 34 Wohnungen entstehen sollen. Die Leute wundern sich, wie dafür die Baubewilligung zustande kam, liegt dieser Ort doch mitten im Naturschutzgebiet des Biosphärenreservats Südost-Rügen und ist strassentechnisch nicht erschlossen.